Zur Zeit in Arbeit:

MEINE BISHERIGEN MEISTERWERKE:

Des Fehlerteufels Werk!

Obwohl ich fast täglich an meinen Texten hier auf dieser Homepage herumdoktere, wird sich der Fehlerteufel sicher ein Plätzchen einrichten. Was ich von ihm halte, habe ich in einem Ringelsatz verewigt. Wenn Sie ihm begegnen, tun Sie einfach so, als wäre er Luft. Ganz verscheuchen, lässt er sich wohl nie...

"Tschick" von Wolfgang Herrndorf

"Als erstes ist da der Geruch von Blut und Kaffee."

(Erster Satz)

Blut in den Schuhen, Kaffee auf dem Tisch: Maik Klingenberg findet sich in der Station einer Autobahnpolizei unweit von Berlin wieder. Es riecht nicht nur nach Kaffee und Blut sondern auch nach Unfall und Bockmist, den er und ein gewisser TSCHICK verzapft haben. Und eine Tatjana Cosic wird erwähnt, die wohl auch nicht wenig mit der misslichen Lage zu tun haben muss.

 

Gleich diese erste von ganz vielen kleinen und mittelgroßen Szenen (Kapiteln) ist der absolute Brüller, wie es Maik Klingenberg, der Romanheld, wohl ausdrücken würde, wäre er jetzt ich, der Leser. Dabei ist er ja schon ein ICH, das erzählende, als cooler  14jähriger Gymnasiast am Hagecius Gymnasium Berlin mit dem erweiterten geistigen Horizont des Autors Wolfgang Herrndorf, und natürlich mit dessem Sinn für Humor und Einfallsreichtum. Ich fühle mich sofort an Marius Müller Westernhagen als Theo, der LKW-Fahrer, der gegen den Rest der Welt ankämpft, erinnert, nur schon etwas älter als Maikipaiki, der alte Finne, wie Maik Klingenberg sich später selbst oft nennt. Es geht ihm hier im Büro der Autobahnpolizei wirklich nicht gut:

 

"Und ich finde, es geht mir schon schlecht genug, ich muss mich nicht auch noch zum Obst machen."

 

Er denkt natürlich darüber nach, ob er seinen Anwalt sprechen dürfe, verwirft diese Idee aber schnell. Als er auf diese fleischige Masse hernieder schaut, die einmal seine Wade gewesen ist, fällt er in Ohnmacht und von seinem Stuhl und schlägt nochmals hart auf, landet als Schwerverletzter im Krankenhaus, gut versorgt zwar, aber die Erinnerung an die letzten Tage kehrt zurück. Er ist glücklich, dass das alles nun ein Ende hat.

 

"Das Glück, stellt sich später raus, heisst Valium."

 

Für ihn ist das Krankenhaus nun das reinste Paradies auf Erden geworden, nach diesem Höllenritt mit seinem Schulfreund Tschick.

 

"Man macht den ganzen nichts, und dann kommen die Krankenschwestern."

 

Hanna zum Beispiel, Maiks Liebslingskrankenschwester mit normaler Unterwäsche, die findet er besonders anziehend. Und auch der Arzt mit seiner Schweigepflicht, obwohl Maik gar nichts verschweigen will. Er erzählt uns nun die ganze Geschichte...auf seine ganz persönliche, charmante und humorige Art.

 

Es beginnt in der 6. Klasse seines Gymnasiums mit der Reizwortgeschichte im Deutschuntericht über seine Mutter und ihre Besuche auf der Beautyfarm (Entzugsklinik), die Maik in der Klasse den Spitznamen "Psycho" bescherrt und ihn zunächst von einer großen Karriere als Schriftsteller träumen lässt. Alle sind begeistert:

 

"Wie kann ein Sechstklässler so endgeile Aufsätze schreiben?"

 

Und er erzählt sofort im folgenden 7. Kapitel, wie er diesen coolen Spitznamen schnell wieder einbüsste. Das hängt  mit dem schönen Andre zusammen, der als Sitzenbleiber in die Klasse kommt, den Mädchen reihenweise die Köpfe verdreht und auf einem Wandertag vor versammelter Klasse fragt:

 

"Wieso heisst diese Schlaftablette eigentlich Psycho. Der ist doch total langweilig."

 

Das Gegenteil wird Psycho uns noch beweisen, dieser alte Finne Maikipaiki.

Und das hängt mit TSCHICK (Andre Tschichatschow) zusammen. Geschichtslehrer Wagenbach (Autoritäres Arschloch...Wagenbach. Achtung!)  schleppt ihn eines Morgens in die Klasse. Tschick ist Russe mongolischer Herkunft und zieht eine Alkoholfahne hinter sich her.

 

"Ich saß drei Plätze vom Gang weg und hätte seine Getränkeliste der letzten 24 Stunden zusammenstellen können."

 

Außer der Alkoholfahne umschwirren ihn Wolken von Gerüchten, angefüllt mit Waffenschieberei, Frauenhandel und Drogenhandel, von Russenmafia ist die Rede. Tschick ist also ein Schülerschwergewicht mit sonderbaren Gerüchen und Gerüchten und Ausshen natürlich. (Mongole) Es kommt, wie es kommen musste: Maik und Tschick freunden sich an gleich zu Beginn der Sommerferien, darin auch die Riesengeburtstagsparty von Tatjana Cosic, zu der sie beide im Gegensatz zu fast allen anderen nicht eingeladen sind, trotzdem aber vorbeischauen, und zwar im geklauten Lada. Maikipaiki ist über beide Ohren in Tatjana verliebt, hat ihr sogar was gezeichnet, und dieses Geschenk muss persönlich übergeben werden, auch wenn er sich nicht so recht traut. Tschick aber.

 

"Du siehst nicht schweiße aus. Oder vielleicht siehst Du scheiße aus. Aber daran liegt es nicht. Der Grund ist: es gibt überhaupt keinen Grund, Dich einzuladen. Du fällst nicht auf. Du musst auffallen."

 

Und daran arbeiten beide nun auf ihrem Ausflug in die Walachei in dem geborgten Lada, nachdem Maik Tatjana Cosic sein Geburtstagsgeschenk überreicht hat. Und dann aber nichts wie weg:

 

"Gib Gas...gib noch mehr Gas, Tschick."

 

Sie erleben die große Freiheit auf vier Rädern und die Nächte meist unter freiem Sternenhimmel als "absoluten Wahnsinn". Sie versuchen ziemlich viele "endbescheuerte" Sachen, z. B. mit ihrem Lada ihre Namen in ein Kornfeld zu schneisen. Dabei verfahren sie sich schon beim ersten Buchstaben. Sie werden bei Friedemanns sehr alternativen Eltern zum Risi-Pisi-Essen (Reispampe) eingeladen und müssen um ihren Nachtisch nicht bangen aber quizen, dabei haben sie nur den Supermarkt im Dorf ansteuern wollen.

 

"Es waren tolle, spinnerte Leute...nett...ein bisschen durchgeknallt...und die wahnsinnig viel wussten...außer wo der Supermatkt ist..."

 

Irgendwann brauchen Tschick und Maikipaiki Benzin, für 14jährige geht das nur über den Spritklau,um nicht aufzufallen. Dazu ist ein Schlauch von Nöten, dafür müssen sie meilenweit laufen bis zur nächsten Müllkippe. Hier treffen sie Isa Schmidt, das stinkende Müllmädchen mit Grips im Kopf und einer super Figur. Sie hilft den beiden Jungs, ihre Schlauchidee umzusetzen, damit sie benzinmäßig nicht weiter auf dem Schlauch stehen und ihre Reise fortsetzen können. Sie landen bei Horst Fricke, dem ehemaligen SS-Scharfschützen, in einem Geisterdorf einer verlassenen Tagebauregion. Er richtet immer noch Gewehrläufe auf die Besucher, die ihm zu nahe kommme. Er ist noch voll mit Vergangenheitsbewältigung beschäftigt.

 

"Denkt man immer, die Nazis waren grausam. Aber im Vergleich zum Russen: Fliegenschiss!"

 

Die Begegnung mit dem Scharfschützen Fricke und die Verfolgung der Polizei regte die beiden Abenteurer wahrscheinlich so auf, dass sie mit ihrem Lada gleich eine Böschung ungewollt hinunterpurzelten, sich mehrmals überschlugen und dabei zu der Erkenntnis kamen:

 

"Der Lada war in seinem Todeskampf (auf dem Dach liegend) genauso müde, wie er zu Lebzeiten gewesen war."

 

Bei den Insassen war keine Spur von Lebenskampf zu erkennen, vielleicht dicke Schädel und Prellungen, aber einen Dickschädel hatten sie sowieso schon. Rettung und Unfallhilfe naht in Person eines "Flusspferdes", eine dicke, fettwabbelige Sprachtherapeuthin mit Feuerlöscher in der Hand, obwohl nichts brannte, aber sie war fest entschlossen, nichts anbrennen zu lassen. Leider fiel ihr der Feuerlöscher aus den Händen direkt auf Tschicks Fuß, der brach um Haaresbreite entzwei. So war tatsächlich der Notfall gegeben, die Sprachtherapeuthin transportierte die beiden Jungs höchstpersönlich und in einem Affenzahn ins Krankenhaus, als seien sie am Verbluten. Aber auch da im Krankenhaus war ihre Reise mit dem Lada noch nicht zu Ende. Ein turbulentes Finale einer waghalsigen Geschichte folgt.

 

In der Notaufnahme übergab "das Flusspferd" die Verantwortung in die Hände der Ärzte und verabschiedete sich von Maik und Tschick mit den etwas seltsam klingenden Worten:

 

"Ihr seht aus wie Kartoffeln!"

 

Aufgelesen auf einem Kartoffelacker, aus einem auf dem Kopf liegenden Lada gekullert. Polizei und Straßenräumdienst haben ihn  längst wieder auf die Räder gestellt. Fahrbereit! Diese letzte Chance ergreifen die beiden Jungs beim Schopfe, Fahrerwechsel allerdings, weil Tschick einen richtigen Gips am Fuß erhält.

 

"Tschick pappte mir zuletzt noch ein Stück schwarzes Isolierband auf die Oberlippe und dann fuhren wir und fuhren..."

 

...bis ein Schweinetransporter auf der Autobahn sie auf blutige, unschöne Weise endgültig ausbremste.

 

"Denn wir rauschten vollrohr in den Laster rein."

 

Das Nachspiel mit Vater und Gericht geht glimpflich aus, chaotisch nochmals dann das Schlussspiel mit seiner Mutter am Pool, nachdem Isa Schmidt, das Müllmädchen, sich per Brief gemeldet hat. Sie wolle endlich das Küssen mit Maikipaiki nachholen. Das ist ja wohl eine gute Nachricht zum Schluss. Mutter zuerst und dann auch Sohn werfen alle greifbaren Gegenstände in den Pool daheim, räumen richtig auf zu Hause. Frau Klingenberg hat die richtige Erkenntnis und den nötigen Alkoholpegel im Blut:

 

"Sie zeigte einmal rundum. 'Das ist alles egal. Was nicht egal ist: Bist DU glücklich damit? Das. Nur das.')

 

Das Schlussbild: Sohn und Mutter springen in den Pool zu all dem Unrat, sinken unter Wasser, sehen über sich die unformierten Umrisse eines Mannes, gestikulierend, Tschick freut sich wahsinnig, ist überglücklich weil:

 

"...man zwar nicht ewig die Luft anhalten kann, aber doch ziemlich lange."

 

Das ist der letzte Satz dieses wunderbaren Romans eines hochtalentierten Schreibkünstlers mit dem vielversprechenden Vornamen "Wolfgang".

Ich will alles von ihm lesen...

 

 

 

 

 

 

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© Autor Wolfgang Pache